Martin Popoff - "Led Zeppelin"

Musik und Mythos

Martin Popoff-

Led Zeppelin. Musik und Mythos

Hannibal verlag 25.-€



Wie lebendig sind die abendländischen Religionen? Nun, es kommt auf den Kontext an. Für den hier zu Betrachtenden ist das Christentum irrelevant, die keltische Mythologie Stofflieferant, aus den antiken Sagenkreisen zeigt lediglich Achilles Präsenz (und eröffnet die Rubrik „Kalauer für Kenner“).Die griechische Göttin Nemesis,zuständig für die Bestrafung von Hochmut, muß dagegen seit fünfzig Jahren mindestens im Tiefschlaf liegen. Nie und nimmer hätte sie es durchgehen lassen, daß eine Rockband 1968 die Bühne betritt und ein Mitglied namens John (!) Jones (!) in ihren Reihen führt. Gleich zu Beginn des vorliegenden Bandes des kanadischen Musikkritikers und Spezialisten für härtere Gangarten Martin Popoff gibt es für den nach außen unspektakulären Zeppelin-Musiker ein wundervolles Kompliment: Je mehr Noten ein Song aufweist, desto größer Jones´Kompositionsbeitrag. Und es ist wohltuend, daß Popoff sofort mit seinem Wissen loslegt, das knappe Vorwort mit pseudokumpelhafter Leseransprache „Mann,...“ und dem Hinweis , daß ihm die Beatles „scheißegal“ sind, fällt dem folgenden gegenüber deutlich ab.

Auf mehr als 200 Seiten gibt es durchschnittlich eine Doppelseite für allgemeine Hinweise zu jeder LP, eine für Besonderheiten und eine für die Analyse jedes einzelnen Songs. Aufgelockert wird das Ganze durch zahlreiche Bilddokumente – bei den Tourfotos kommen Liebhaber nackter männlicher Oberkörper auf ihre Kosten, bei den übrigen drängt sich irgendwann die Frage auf, wieviele Weltklasse-Alben verloren gingen, weil sich die Rockmusiker ständig photographieren lassen mußten.

Der allgemeine Textteil referiert Entstehungsprozeß, Beurteilung und Verkaufserfolg der einzelnen Platten. Wenn das zweite Album „Abbey Road“ vom Spitzenplatz der LP-Charts verdrängen konnte, sind plötzlich die Beatles nicht mehr so scheißegal. Popoffs Lieblingsscheiben sind keine Überraschung, die Ansicht, daß es mit „In through the outdoor“ erst richtig losging, dürfte auch keine Zukunftsaussichten haben.

Der Alkoholkonsum während der Aufnahmesessions erinnert an einen Spieltag von Manchester United vor Alec Ferguson, der Ertrag der Aufnahmesessions an ein Spiel von Manchster United unter Alex Ferguson. Heavy-Metal-Fußball wird ja eher mit Jürgen Klopp verbunden, aber wir wollen keine Gemeinsamkeiten mit Liverpool herstellen. Nimmt man zu den Saufeinlagen noch Rüpeleien und eingeworfene Drogen, dienten als Parallele George Best, John Mc Enroe und Maradonna in einem Team. Sie meinen, in dieser Auflistung findet sich ein Nicht-Fußballer? Richtig, aber der spielt sehr ordentlich E-Gitarre und imitiert beim Aufschlag Plants Stöhngeräusche.

Häufig gingen Plagiatsvorwürfe in die umgekehrte Richtung, vom Autor bei der Besprechung der einzelnen Stücke kompetent kommentiert. Rundum erfreulich der Rest dieses Hauptteils des Buches. Sämtlich Blues-Vorbilder werden gewürdigt, sehr präzise die Aufnahmetechniken beleuchtet - von der Platzierung der Mikros über den Umgang mit der Raumgröße über Spezialeffekte und Klangqualität. Letztere ist durchwachsen, ebenso Robert Plants Fähigkeiten als Texter – Popoff referiert kurz, wovon sie handeln und wie sie Frauen behandeln.

Zum Leckerbissen für den Leser wird das Lob der musikalischen Leistungen. Pages Gitarrenmodell, Spieltechniken und Umstimmungen, Jones´Ideenreichtum und Instrumentenvielfalt, Bonhams Brachial-Finessen – nichts bleibt dem wachsamen Auge und hellhörigen Ohr verborgen. Die Detailkenntnis würdigt gleichermaßen die Differenziertheit krachender Rocker wie die Atmosphäre subtiler Folkballaden. Wenige Worte erläutern das Zustandekommen der hypnotischen Intensität der „Battle of Evermore“, viele Worte das legendäre Folgestück, dessen Titel mir gerade entfallen ist.

Wenn Sie nachschauen möchten, es befindet sich auf der Platte namens – na, jetzt habe ich wohl einen Blackout. Moment – mit Black war was – genau, sie beginnt mit „Black Cat“ , dann kommt „Boogie Woogie“ oder so ähnlich.

Um Zweifel am Ironiegehalt des vorigen Absatzes zu zerstreuen, fassen wir noch einmal kurz ZOSOmmen. Zu kritisieren gibt es nur gelegentliche Schlampereien bei der Übersetzung, einige Sätze sind entstellt und Page bekommt ein Genitiv – S ohne vorliegenden Genitiv. Und die Erläuterungen der Genialität und Vertracktheit von „When the Levee breaks“ sind etwas dünn, angebracht wäre meines Erachtens das Volumen der Anmerkungen zu „Lambswool“ oder gar „Highway to Hell“ - oh mir dreht sich alles...

Die Diagnose des behandelnden Arztes:
- Durch exzessives Headbangen während des Schreibens wurde der Patient dermaßen dazed and confused, daß ein Communication Breakdown nur mit Rezensionsverbot bis Ende des Jahre 2018 zu verhindern ist. Zur sanften Wiederaufnahme raten wir, 2019 mit Wolfgang Amadeus Mozart zu beginnen.
Die Reaktion des Erkrankten: 
- Death Metal zählt nicht zu meinen Stärken aber wenn´s denn sein muß..


Rezensent: Frank Rüb