The Beatles - Sgt. Pepper

Peter Kemper – Sgt. Pepper

Reclam-Verlag €10.-


Peter Kemper ist Autor mehrerer Musiker-Biographien, Herausgeber des originellsten deutschsprachigen Rockmusik-Lexikons und Verfasser exzellenter Konzertkritiken. In seinem in der sogenannten „100-Seiten“ Reihe des Reclam-Verlages erschienenen Buch über das berühmteste Beatles-Album setzt er Maßstäbe bezüglich Inhaltsreichtum und Gewichtung innerhalb des vorgegebenen Rahmens und einige journalistische Glanzstücke zum Genießen. Die Hintergrundinformationen betreffen zunächst die musikalische Ausgangslage der Beatles: Das Ende der Live-Auftritte, die Herausforderung durch die aktuellen Dylan- und Beach-Boys-Alben, die freie Verfügbarkeit über das Abbey-Road-Studio zu jeder Tages- und Nachtzeit. Weitere Kapitel behandeln Summer of Love, Hippie-Bewegung und Swinging London. Die Schilderung des Belagerungszustandes während der Aufnahmen und des ersten Hörens des eigenen Albums mit vollem Bewusstsein der Musiker, was für ein Meisterwerk es geworden ist, dürfte den Leser einige Freudentränen vergießen lassen.

Im Zentrum des Bandes steht die Analyse der einzelnen Titel. Sowohl musikalisch als auch hinsichtlich Texten und Techniken bleiben keine Wünsche offen- Erörtert wird z.B. die Bedeutung des Komponierens am Klavier statt an der Gitarre, Kontrapunktische Fähigkeiten, Taktwechsel innerhalb eines Liedes. Zum Schmunzeln ist der Nachweis der inneren Logik der Tiergeräusche-Passage bei „Good morning, good morning“ (Wer das versteht, braucht das Buch nicht zu kaufen). Als bekennender Lennon-Fan ist der Rezensent zufrieden, dass „A day in the life“ als Höhe- und Schlusspunkt gebührend gewürdigt wird und erfreut über den Vorschlag Kempers „Strawberry Fields forever“ auf der Platte auch noch unterzubringen. Die letzten Sätze seien somit neidlos Sir Paul gewidmet. Was für eine Vorstellung, dass der Antreiber, Regisseur und Mit-Haupt-Akteur während der Arbeiten bei Stockhausen-Konzerten im Publikum saß und wenige Tage nach der Veröffentlichung zugegen war, als Jimi Hendrix die erste Coverversion darbot. Der kulturelle Soundtrack der sechziger Jahre hat Platz in einem einzigen Kopf. Die produktive Umsetzung in den gesellschaftlichen illustriert Kemper an „She’s leaving home“. Instrumentierung und Gesangskunst erweitern die Grenzen dessen, was bis dahin unter Rockmusik durchging und der auf einer Zeitungsnotiz basierende Text beschreibt perfekt den friedlichen Teil des Zeitgeistes anhand einer simplen Familiengeschichte (With a little help from John und seiner Tante Mimi, deren Standardfloskeln in den Refrain eingewoben sind). Nur Propheten waren auch die Beatles nicht. Fun ist the one thing that money can’t buy? Einige Jahre später wurden nördlich von Liverpool, so in etwa Richtung Glasgow, die ersten LP 12 zum Kauf angeboten.

Rezensent: Frank Rüb, Mainz