Pink Floyd - Their Mortal Remains

Pink Floyd – Their Mortal Remains (deutsche Ausgabe)

 Edel Germany-Verlag

€39.95

 Die Höchststrafe für anarchische Punks: Wer 1976 meinte, seine Bühnenauftritte mit „I hate Pink Floyd“-T-Shirt absolvieren zu müssen, landet vierzig Jahr später als marginales Museumsstück in einem dem Haßobjekt gewidmeten opulenten Ausstellungskatalog. Und für diesen gilt: This is not the story of Jonny Rotten. The King is mentioned, and then forgotten. Das eigentliche musikalische und gesellschaftliche Umfeld der Gruppe klärt der erste von fünf einleitenden Beiträgen. Diese beleuchten sämtliche wichtige Aspekte, zusammengenommen zwar leicht redundant, aber welcher echte Floyd-Fan könnte gerade das übelnehmen? Und das Thema von „Arnold Layne“ wird so unvergeßlich wie Syd Barrett.

Zu dessen Charisma und Tragik gibt es nichts wesentlich Neues. Bestechend dagegen die Analyse der Themen und Texte quer durch alle Schaffensperioden und Qualitätsgefälle. Besonders beeindruckend der Vergleich je einer Strophe aus „Echoes“ und „Across the Universe“. Ein intensiver Abschnitt über Akkordwechsel macht anschaulich, wie hier jemand seine nicht alltäglichen, doch begrenzten Möglichkeiten ausreizte. So gibt es zwar Parallelen zu Techniken von Bach, aber, sagen wir, das „Watcher of  the skies“-Intro hätten sie nicht hinbekommen.

Der zweite Teil des Buches ist der Diskographie gewidmet. Nach kurzen Worten zu jeder Platte folgt ein ausführlicher Bildteil. Zu sehen sind sämtliche Cover, der legendäre Azimuth-Koordinator, das Keyboard- und Synthesizer-Arsenal samt handschriftlicher Notizen zur Bedienung, Barretts Gitarren-Verzierungen und Gilmours „One of these days“- und „Sorrow“-Instrumente. In dieser Ausführlichkeit vielleicht nicht für jedermann interessant, aber ein Leckerbissen für Klang- und Technik-Freaks, also etwa 100 Prozent der Leser dieses Textes. Und die Skizzen zum „Dark side of the Moon“-Cover beweisen, daß man Rockmusik so ernst nehmen kann, wie Raffael seine Stanza della Segnatura!

Vermerkt werden sollen noch zwei kleine Fehler: Roger Waters einzige Eigenkomposition auf dem ersten Album wird falsch zugeordnet (dafür gibt es keinen Sommerfest-Gratissekt) und die „High Hopes“ Fliege summt nicht bei „Grantchester Meadows“ sondern beim darauf folgenden Stück, dessen kompletter Titel die Rezension unnötig in die Länge ziehen würde. Von rührender Naivität ist der Hinweis, daß der Falkland-Krieg Tote auf beiden (!) Seiten forderte.

Bei allem, was man bezüglich Gigantomanie, Kalkül oder Jammern auf hohem Niveau an Pink Floyd kritisieren kann, nehmen wir diese militärische Ignoranz mit der friedlich-verträumten bzw. bekifften Konzertatmosphäre als Indiz, daß der Hippie-Traum (um noch einmal Neil Young ins Spiel zu bringen)  irgendwo noch lebt. In diesem Sinne: Make Pink, not Punk.

 

Rezension: Frank Rüb, Mainz