Neil Young

Biographie von Walter Erhard

Walter Erhart – Neil Young

Reclam Verlag

€17.95

 

Durch Neil Young hat sich mein Privatvermögen im Jahre 2009 um einen nicht niedrigen vierstelligen Betrag verringert. Der Zorn ist nicht nur verraucht, sondern gar nicht erst entstanden. Schließlich konnte mit dem Geld ein Bodenheimer HiFi-Studio unterstützt werden und der Klang in meinem Wohnzimmer ist seitdem – etwas Schleichwerbung muß erlaubt sein – sehr akkurat. Akustische Gitarre und wenige Zeilen Gesang genügten für ein Entschiedenes; Rock and Roll is here to pay.

Deutlich günstiger (vielleicht ist der Buchhandel ja deswegen in der Krise) ist der Preis einer außerordentlich gelungenen Biographie der kanadischen Ausnahmeerscheinung im Reclam-Verlag aus dem Jahr 2015, deren Abschluß die gegenwärtigen musikalischen und gesellschaftskritischen Höhepunkte „Psychedelic Pill“ und „Monsanto Years“ bilden. Der geistige Referenzrahmen zur Beschreibung des Musikers und Texters Young wird abgesteckt von den Herren Schiller, Friedrich Schlegel, Navid Kermani, Diederichsen und Dylan (das sorgt für Deutungsbreite und Authentizität, denn die kannten sich nicht alle gegenseitig) und im Eingangskapitel wunderbar gekonnt verwoben mit der Kindheitsgeschichte. Dazwischen liegen fünfzig Jahre Plattenveröffentlichungen, denen der Autor Walter Erhart in sämtlichen Schaffensperioden quer durch Erfolgsalben und Irrwege gerecht wird.

Das Fazit für Soloprojekte und Begleitbands findet sich schon auf der „Four way street“, dort noch begrenzt auf Stills/Young: „We’ve had our ups and downs, but we’re still playing together.“ Es braucht keinen Musikwissenschaftler, um die größten „ups“ in den Siebzigern zu verorten, aber wie Erhart die Kompositionen beschreibt und die Texte thematisch verbindet ist schlicht hervorragend. Bei aller Selbstzerfleischung und Trauerarbeit der „Doom-Trilogie“ wird beispielsweise herausgehoben, daß „After the Goldrush“ ebenso nur bedingt als Antidepressivum taugt.

Mit Experimentellem, nahezu Unhörbarem, Retrokommerziellem, gelungenen Comebacks und wütenden politischen Statements geht es munter weiter, immer parallel zur persönlichen Situation, familiären Schicksalen und Wendungen und dem für die Lautstärke der nächsten Aufnahme wichtigen Zustand der Ohren. Kommt es zu einer Neuauflage der an dieser Stelle bereits besprochenen Eclipsed-Rock-Bände, sei den Herausgebern empfohlen, die Kapitel bezüglich der Jahre 2000-2005 im vorliegenden Buch sich einmal anzuschauen, die Platten aus diesem Zeitraum sind im Lexikon unterbewertet, die Interpretationen Erharts meisterlich.

Bei aller Würdigung und biographischer Einbettung des weniger Gelungenen und Fragwürdigen lädt die Heterogenität des Gesamtwerks und der Einzel-Alben natürlich auch zur positiven Rosinenpickerei ein. So sinnlos es wäre den besten Young-Song zu benennen, so fruchtbar ist die Analyse der Kandidaten. Ausführlich behandelt der Autor „Cortez the Killer“ (leider ohne die Zeilen „And their women all were beautiful, men stood straight and strong“ zu rügen, da kommen bei mir keine angenehmen Assoziationen hoch), neben Bekanntestem sehr erfreulich den „Ambulance Blues“, angesichts der Textqualität etwas zu knapp den „Thrasher“ und vom Spätwerk die Drogengeschichte des „Hitchhiker“ – nur mit dem Hinweis, daß die Melodie älter ist, hier kann getestet werden, wer „Trans“ komplett gehört hat (hier punktet die Eclipsed-Redaktion).

Einige kurze Worte und klug gewählte Abbildungen lassen den Live-Musiker plastisch hervortreten, wenn er noch etwas durchhält schließt sich der Kreis aus Schönste: I was working on this palm tree for eightyseven years – danach wartet Pocahontas auf dem Sugar Mountain, im Silver Space Ship wird garantiert ein Platz freigehalten.

 Rezensent: Frank Rüb, Mai 2018